Landesverband Braunschweig der Gartenfreunde e.V.
Verfasst am 12.10.2016 um 13:00 Uhr

Glückliche Gärtner braucht das Land

Festrede von Hartmut Brinkmann beim Verbandstag des Landesverband Braunschweig der Gartenfreunde e.V. am 24. September 2016 im Saal des Bezirksverbandes Hannover der Kleingärtner.

„Die Gartenfreunde, die Kleingärtner gibt es gar nicht.“


Wir alle haben es ja oft genug zu lesen bekommen: Kleingärtner sind kleine Geister, beschränkt auf ihre Parzelle und auch sonst, eingeengt durch ihren Gartenzaun, Gartenzwergfetischisten, Blaukornverschwender, die schneiden ihre Rasenkanten mit der Nagelschere – Sie kennen doch alle Vorurteile und Fehlurteile.

Damit sind wir Kleingärtner übrigens in guter Gesellschaft. Die Politiker sind alle korrupt und unfähig, die in der Verwaltung sind alle schwerfällig und in Bürokratie erstarrt. Journalisten sind alle Lügner. Kleingärtner sind altmodisch, piefig und miefig und spießig, Spießer in Grün.

Nein, das ist doch alles Unfug, wer wollte denn so Viele in gleicher Weise charakterisieren können. Bundesweit gehören zwei bis drei Millionen Menschen zu einer Million Kleingärten.
Im Landesverband Braunschweig leben viele tausend Familien und Einzelmenschen in und mit ihrem Kleingarten, und die sind so unterschiedlich und vielfältig wie das gesamte Leben.

Die Verantwortlichen in der Kleingartenbewegung sind zumeist gestandene Frauen und Männer, die wissen, wovon sie reden. Die kümmern sich um gesundes Grün und lebendige Böden in unseren Städten und Gemeinden. Die denken nicht nur eigennützig an ihr lieb gewordenes Hobby, die sehen über den Gartenzaun hinaus auf unser Gemeinwesen, für das sie mitverantwortlich sind. Die arbeiten geduldig in die Zukunft hinein, wie das jeder gute Gärtner tun muss, wenn er ernten will. Für die sind Integration und Inklusion, Nachhaltigkeit und andere Begriffe aus der politischen Streitlandschaft keine Fremdwörter, sondern längst gelebte Wirklichkeit. Für Stadträte und Gemeinderäte, für Kreistage, für den Landtag, für die Verwaltungen auf allen Ebenen sind die Vertreter der organisierten Kleingärtner seriöse Verhandlungspartner, auf die sie hören sollten.

Nun ist es aber nicht so, dass da überall eitel Sonnenschein wäre, wo Menschen zusammenarbeiten, das will ich nicht verheimlichen, das ist eben auch im deutschen Kleingartenwesen so, und das ist durchaus kein Widerspruch zu dem, was ich zuvor gesagt habe. Und deshalb will ich die mir heute gebotene Gelegenheit nutzen, euch Funktionsträgern, euch gewählten Ehrenamtlichen ein paar Gedanken zum Weiterdenken zu geben. Ich bin neulich gerade 75 geworden, da steht mir eine deutliche Sprache zu. Außerdem passen meine Hinweise durchaus auch in die Zusammenhänge der Politik.

Ihr seid auf Zeit gewählt.

Ihr seid gewählt, damit ihr der Organisation und ihren Mitgliedern dient, und nicht, damit ihr über sie herrscht.

Imitiert nicht diese Art von Politikern, die ihren Lebenszweck darin sehen, andere zu beschimpfen und niederzumachen, zu demütigen und zu verdächtigen, die jeden Tag aufs Neue siegen wollen.

Geht sorgsam mit euren Funktionsträgern um, die geben ihre Zeit und ihre Kraft und ihre Ideen und immer auch ein großes Stück ihres Lebens für die gemeinsame Sache her.

Lasst das Herumstänkern, das Anmachen, das Herunterputzen, hört auf mit dem Mobbing nach unten und nach oben, lasst niemanden krank werden durch feindseliges Verhalten,
konzentriert euch auf die sachliche Kritik, dort wo sie nötig ist, damit ihr gemeinsam zu guten Ergebnissen kommt.

Sorgt dafür, dass die Guten bleiben und nicht vergrault werden.

Trennt euch frühzeitig oder wenigstens rechtzeitig von den Wichtigtuern, die nur ihr eigenes Süppchen kochen wollen. Trennt euch von denen, die das große Wort führen, aber schlechte Arbeit leisten. Dafür sind die Wahlen da. Weil gute Kandidatinnen und Kandidaten nicht vom Himmel fallen, ist auf allen Ebenen der Organisation lebenswichtig, dass die Erfahrenen und Verantwortlichen um Mitglieder werben, die in gute Vereinsarbeit hineinwachsen können.

Fangt rechtzeitig an, neue Aufgaben anzunehmen, wenn sie euch angetragen werden. Ziert euch nicht, neue Verantwortung zu übernehmen, selbst wenn das mehr Arbeit bedeutet.

Denkt niemals, dass nur ihr es richtig macht, dass ihr allein entscheiden müsstet, wo es lang geht. Alles-allein-Bestimmer sind einsame Menschen. Setzt auf das Team, auf die Arbeitsgruppe, schart Freunde um euch herum, die mit euch nachdenken, Erfahrungen austauschen, voneinander lernen, auch mal über den besseren Weg streiten.

Gehört nicht zu den Jammerern, die ständig klagen, alles müssten sie allein machen, niemand würde ihnen helfen – wenn das so wäre, könnte der Fehler bei euch liegen. Um Arbeitspartner musst du dich bemühen, die stehen nicht einfach vor deiner Tür.

Hört rechtzeitig auf, wenn ihr merkt, dass es nicht mehr gut läuft mit eurer Arbeit für die Gemeinschaft. Wer schon jahrzehntelang die Schrift oder die Kasse führt im Verein, sollte Ausschau halten, wer von den Jüngeren es genauso gut oder sogar besser machen kann. Kein Ehrenamt verdient das Urteil „lebenslänglich“. Ich kenne aus anderen Zusammenhängen und anderen Organisationen Präsidiumsmitglieder, die meinen, sie müssten für immer auf ihren Posten hocken, die halten es für unerhört, dass andere Mitglieder ihre Ämter übernehmen möchten, dabei ist der Wechsel das Notwendige in der Demokratie. Die Am-Amt-Fest-Klebenden muss man abwählen, und die Gelegenheit zum Abwählen muss man schaffen, die fällt einem nicht in den Schoß.

Sagt euren Mitgliedern, den Gartenpächtern, wie wichtig ihre Arbeit für sie selbst und für die Gemeinschaft ist. Sie sollen ihren Boden gesund halten. Sie sollen auf den Einsatz von chemisch-synthetischen Mitteln verzichten und das natürliche Leben in ihrem Garten fördern. Den Pflanzen zuliebe, das sind doch Lebewesen, der Nachbarschaft zuliebe, und auch: aus Eigenliebe. Ich habe in den langen Jahren meiner Kleingärtnerei keine Mark und keinen Euro für Gartengifte verschwendet und weiß nun gar nicht, wohin mit meinem ganzen Reichtum.

Geschulte Gärtner braucht das Land. Ich höre oft im Fernsehen und auch im richtigen Leben den Ausruf: „Keine Ahnung!“ Nun bin ich auch dafür, ehrlich einzugestehen, wenn ich etwas nicht weiß, niemand kann mehr alles wissen, das ist keine Schande. Ich meine das andere „Keine Ahnung!“ Das wird mit Stolz gesagt, damit möchte man angeben: Ich bin ganz toll, ich habe keine Ahnung, ich muss das auch gar nicht wissen. Wann man Obstbäume schneidet? Keine Ahnung. Wie Rhabarber geerntet wird? Keine Ahnung. Wie meine Gartenrosen heißen? Will ich gar nicht wissen, mein Unwissen kann mir keiner nehmen.

Ich will es nicht auf die Spitze treiben, selbstverständlich kenne ich auch die, die es wissen wollen, die sich interessieren, die ihre Zeit zum Lernen aufbringen, die Neugierigen, am Garten und seinem Leben interessierten, denen es gar nicht zu viel werden kann. Die müssen wir fördern, Freunde, die bringen uns voran. „Keine Ahnung“ – das muss ein Spruch von gestern werden. Wissen und Lernen, das gehört zum Glücklichsein dazu.

Wenn ihr es nicht schon tut: Öffnet eure Gärten, öffnet eure Anlagen, bleibt nicht unter euch, seid für die Allgemeinheit da. Alle Probleme, die damit zusammenhängen können, lassen sich lösen, sie wiegen geringer als der Gewinn, den ihr selbst aus dieser Offenheit erlangen könnt.

Öffnet euch für neue Ideen. Lasst euch nicht abschrecken, wenn von „Urban Gardening“ die Rede ist, vom Gärtnern in der Stadt. Die Unverbindlichkeit solcher Unternehmungen mag euch verdächtig sein, weil ihr aus euren Vereinen die Verbindlichkeit gewohnt seid, die dort auch notwendig ist. Aber neue Formen der Zusammenarbeit beim Gärtnern und beim Zusammenleben sind es wert, angesehen zu werden, sie verdienen Sympathie und Unterstützung, sie sind keine Konkurrenz fürs organisierte Kleingartenwesen, eher eine Ergänzung, eine Befruchtung auch für eure eigenen künftigen Vorhaben im Verein.

Hier in Hannover sind Berthas Gärtnerinnen und Gärtner auf dem Bertha-von-Suttner-Platz tätig. In Westerstede im Ammerland, wo ich auch zuhause bin, beteiligen wir, meine Monika und ich, uns seit diesem Frühjahr an einem ähnlichen Projekt, am Küchengarten Jaspershof. Die Idee ist ebenso einfach wie erfolgreich: „In Gemeinschaft gärtnern macht Freude!“ Erwachsene und Senioren, Familien, Kindergartenkinder und Schulkinder, Jugendliche und junge Erwachsene mit und ohne Fachkenntnisse kommen zusammen und gärtnern, so oft sie Zeit haben, und sie machen das, was sie können. Chefin ist eine gelernte Gärtnerin, die aus einer Baumschulerfamilie stammt. Sie hat das Konzept entwickelt, ein Team tüchtiger Helfer um sich versammelt, ein Gelände zum Beackern von der Stadt zur Verfügung gestellt bekommen. Sie hält alle Fäden zusammen und koordiniert und macht vor. Die erste Saison mit vielen spannenden Ereignissen geht gerade erfolgreich zuende. Terra Preta, schwarze Erde, ist ein wichtiges Thema in dieser Anlage. Frisches Gemüse, Kräuter, Früchte selbst anbauen und ernten, manchmal auch gleich in der Gemeinschaftsküche gemeinsam verarbeiten und in großer Runde unter dem alten Lindenbaum verzehren, das bereitet allen Beteiligten große Freude, und das Voneinander lernen geschieht ganz problemlos nebenher.